Unerhört unsichtbar
Eine neue Chororgel für die Speyerer Gedächtniskirche
Obwohl erst zwischen 1894 und 1904 erbaut, schaut die Speyerer Gedächtniskirche auf eine interessante Orgelgeschichte zurück. Der Auftrag für das erste Instrument der noch unfertigen Kirche erging an die Echterdinger Firma C. F. Weigle im Jahr 1900. Ein laufendes Konkursverfahren im Jahr 1902 führte zu einer Fertigstellung der Orgel durch die Werkstatt Steinmeyer aus Oettingen. Das Instrument wurde 1938/39 durch Steinmeyer grundlegend umgebaut. Der noch heute erhaltenen Freipfeifenprospekt der Hauptorgel geht auf diesen Umbau zurück.
Schon damals war man sich bewusst, dass die oktogonale Vierung mit ihrem gewaltigen Volumen die Begleitung von im Altarbereich positionierten Musikern mit der Orgel auf der rückwärtigen Empore nahezu unmöglich macht. Daher plante man zwei weitere Teilwerke auf den Emporen über den Sakristeien im östlichen Teil der Vierung ein. Leider wurden diese Teilwerke nie gebaut.
1956 versuchte man, dem offensichtlichen Defizit abzuhelfen. Die Werkstatt Oberlinger installierte eine kleine Chororgel mit 13 Registern hinter dem Altarretabel. Die zeitbedingt zweifelhafte Materialqualität und die 1978/79 eingebaute Warmluftheizung bescherten dem Instrument eine nur kurze Blütezeit. Ab 1990 beschäftigte man sich mit unterschiedlichen Ideen für einen möglichen Ersatz.
Nach eingehender Prüfung unterschiedlicher Vorschläge zum Konzept und der Platzierung einer neuen Chororgel wurde deutlich, dass ein Nachfolgeinstrument auch wieder im Chorhaupt positioniert werden müsste.
Maßgaben für die Konzeption waren
- mechanische Spieltrakturen, d. h. ein angebauter Spieltisch
- weitestgehende Unsichtbarkeit aus dem Kirchenschiff
- optimale Begleitfähigkeit für Chor und Orchester
- ausreichende Klangkraft auch bei sehr großen Aufführungen
- Vielseitigkeit auch im solistischen Einsatz.
Das nun verwirklichte Konzept entstand in Zusammenarbeit mit dem Orgelsachverständigen Gero Kaleschke und dem Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald. Der Spieltisch befindet sich auf der linken Seite des Altars, so dass der Organist von dort den gesamten Altar- und Vierungsbereich einsehen kann. Das Werk steht vollständig in einem großen Schwellkasten (bis auf einige wenige Pedalpfeifen) mit Jalousien nach allen Seiten außer vorne. Die beiden langen Manualwindladen liegen vom Spieltisch aus gesehen auf Sturz hinter dem Altarretabel.
Begünstigt durch die fokussierende Wirkung der Apsiswände und -gewölbe entfaltet sich der warme und volltönende Klang dieses (gar nicht so) kleinen Instruments nun in der gewünschten Stärke und Tragfähigkeit im Kirchenraum.