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Fulda, Stadtkirche St. Blasius

Jede Orgel wird als technisches und klangliches Unikat von ihrem Erbauer geschaffen. Selten jedoch bleibt ein Instrument auf lange Sicht unverändert. So auch das Instrument in der Stadtpfarrkirche, das seit seiner „Erschaffung“ mehrfach verändert wurde.

 

 

 

Aus heutiger Sicht verdienen vor allem die Arbeiten von Ratzmann - 1837 - und Eggert - 1900 - erhalten zu werden, obwohl jede für sich die andere weitgehend ausschließt. Die Arbeit der letzten Jahre hatte daher das Ziel, diese beiden erhaltenen historischen Schichten zu einer stilistisch passenden Einheit zusammenzuführen. Der Begriff „Reorganisation“ umschreibt dieses Ziel besser als das zu eng gefasste „Restaurierung“. Unsere Idee war es, nicht einen bestimmten historischen Zustand wiederherzustellen, vielmehr sollte erhaltener Bestand liebevoll restauriert, vervollständigt und wieder zu einem homogenen Ganzen vereint werden.

 

Für den Betrachter besonders augenfällig, wurde das Gehäuse nach dem Befund schreinerisch ergänzt, instand gesetzt und gefasst. Dabei wurden die Rückwandtüren, die Seitenwände und die fehlende Vorderfront des Untergehäuses rekonstruiert. Die neue Spielanlage erhielt wieder ihren Platz in der Mitte, so wie es 1837 war. Als hilfreich erwies sich dabei das Gehäuse selbst, ebenso der Kupferstich der Orgel von 1840, der sehr feine, zwischenzeitlich verloren gegangene Details zeigt.

 

Typisch für die Erbauungszeit der Orgel ist der wiederhergestellte Farbton in Mahagoni, dem beliebtesten und edelsten Möbelholz in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, welches - auch dies entspricht der Zeit - als gefasste Holzmaserung ausgeführt wurde. Lediglich die jetzt neu eingepasste Spielnische und wenige Holzteile am Gehäuse sind aus dem kostbaren Mahagoniholz selbst hergestellt.

 

Im Innern des Gehäuses wurde auf der Gurtrahmenebene das ursprüngliche Tragegerüst wieder hergestellt. Auf ihm ist, wie 1837, die untere Ebene der Windladen gelagert. Auf der oberen Ebene, hinter dem Oberwerksgehäuse, wurden ein großes Schwellwerksgehäuse eingebaut und die großen Pfeifen des neuen Untersatz 32’ aufgestellt. So hat das außerordentliche Gehäuse seine imposante äußere Gestalt und seine innere Statik zurück erhalten.

 


 

 

Das technische Konzept der Orgel hatte zum Ziel, neben der großen Balganlage von 1900 auch die aus derselben Zeit erhaltenen pneumatischen Kegelladen in der Orgel zu belassen, zurück geführt auf den technischen Stand der Erbauungszeit. Diese drei Windladen wurden ergänzt durch neue Laden, die dieser pneumatisch gesteuerten Technik entsprechen, jetzt aber in das Gehäuse von 1837 eingepasst sind.

 

Die drei restaurierten Kegelladen Eggerts blieben dem Pedal - diese Windlade war mit wenigen Ausnahmen unverändert und wurde jetzt hinter dem Gehäuse frei aufgestellt - beziehungsweise dem Schwellwerk zugeordnet. Die beiden Schwellwerksladen entstammen den zuletzt 'Nebenwerk' und 'Hauptwerk' (4’-Lade) genannten Werken. Sie wurden zusammengeschaltet und „auf Sturz“ in das große Schwellwerksgehäuse gestellt, wo die Register neu aufgepasst wurden. Es gibt nur wenige erhaltene Laden dieser Ausmaße: allein die Kanzellen der Pedallade sind ca. 4.800 mm lang!

 

Die Kegellade ist ein historisches Faktum, für das man sich zwischen etwa 1845 und 1950 bewusst und für lange Zeit entschieden hatte. Über den Sinn der Kegellade kann diskutiert werden - deren unstrittiger Vorteil bleibt jedoch die gute und direkte Windversorgung jeder einzelnen Pfeife. Dies wurde besonders für die oft sehr großen Instrumente des späten 19. Jahrhunderts besonders geschätzt, die dementsprechend eine ganz eigene Charakteristik entfalten konnten und zu spätromantischer Musik inspirierten. Auch jetzt war dies der Grund, bei diesem Registerkanzellensystem zu bleiben und nicht, was denkbar gewesen wäre, die Orgel auf Schleifladen umzustellen.

 

Die pneumatische Tonsteuerung ist heute für den Spieler oft sehr ungünstig, vor allem bei weit verzweigten Instrumenten: durch die Entfernung zwischen Taste und Kegelventil entsteht bei der Tonerzeugung eine zeitliche Verzögerung. Um dies zu verbessern, ist für uns die Kombination aus mechanischer Traktur, die bis nahe unter die Windladen verlegt ist, und einer nun kurzen pneumatischen Ansteuerung der Relais eine sehr elegante Möglichkeit, die Vorteile der Mechanik mit dem klanglichen Reiz der pneumatischen Ladentechnik zu kombinieren.

 

Das Ergebnis ist eine sensible und leichte Tontraktur. Die Registertraktur, wie bei Eggert ein pneumatisches Auslass-System, wird durch die Registerzüge im Spieltisch betätigt. Diese werden jetzt durch eine Setzerkombination unterstützt. Das Spielen der Orgel könnte mit gepumptem Wind völlig ohne elektrischen Strom auskommen.

 


 

 

Besonderen Wert haben wir zudem auf das Klangbild der Orgel gelegt. Das bestehende historische Pfeifenwerk ist von hoher Qualität. Fehlende Pfeifen wurden ersetzt, neue Pfeifen angepasst. Wie das Gehäuse wurden die Prospektpfeifen - hier waren zuletzt nur noch die Ersatzpfeifen aus Zink - in ihrem ursprünglichen Material, dem Zinn, rekonstruiert: Die originalen Halterungen und Stöcke wurden sorgfältig restauriert, die neuen Prospektpfeifen sind aus Zinn, handgehobelt und poliert und in der Mensur nach den originalen Rastern rekonstruiert. Im Gegensatz zu Eggert, der den Prospekt aufgrund seiner letztlich gegen das Gehäuse gebauten Anlage vorwiegend mit stummen Prospektpfeifen besetzen musste, sind diese jetzt weitgehend klingend, darunter befinden sich auch einige originale Pfeifen von Ratzmann, die der Unda maris 8’ zugeordnet werden konnten.

 

Bei den innen stehenden Pfeifen waren viele Pfeifenreihen von 1839 und 1900 erhalten, mussten aber zum Teil sehr aufwändig restauriert und rekonstruiert werden. Hilfreich bei der Rekonstruktion fehlender Pfeifen und neuer Register war, dass der Orgelbauer Franz Eggert, getreu den Mensurprinzipien des Orgelbautheoretikers Gottlob Töpfer wie sein Lehrmeister Friedrich Ladegast aus Weißenfels, gearbeitet hatte, so dass das Pfeifenwerk in absolut authentischer Weise ergänzt werden konnte.

 

Die Disposition der Orgel enthält Elemente von 1900, wurde jedoch etwas erweitert. Es galt zunächst, das Pfeifenmaterial zu sortieren. Die jüngeren Pfeifen wurden herausgenommen und teilweise eingelagert. Das ältere, historische Material war zum Teil verändert und musste originalen Standorten zugeordnet werden. Eggert hat im Jahre 1900 Pfeifen aus dem Jahr 1837 weiter verwendet; diese verblieben in der Anordnung von 1900.

 

Jedes künstlerische Schaffen ist von seiner Zeit geprägt. So ist unser Konzept aus der Erfahrung entstanden, dass die Geschichte jeder Orgel zu respektieren und zu bewahren ist. Die klangliche Konzeption Eggerts war, auch aufgrund des umfangreichen Materials im technischen und klanglichen Bestand, die Hauptleitlinie für diese Reorganisation. Mit der Fertigstellung der Orgel wird unser Schaffen Teil der geschichtlichen Genese, sie gehört somit ihrerseits zur Geschichte der Stadtkirchenorgel St. Blasius zu Fulda.

 

Disposition