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Karlsruhe, St. Stephan

Drei Generationen Klais Orgel in St. Stephan

Als Karlsruhe zu Beginn des 18. Jahrhunderts als Residenzstadt der badischen Markgrafen gegründet wurde, entstand als evangelische Hauptkirche die Stadtkirche am Markt. Architekt – wie auch für das Gesamtkonzept der Stadtplanung – war Carl Weinbrenner. Durch den Zuzug von Arbeitskräften vor allem aus dem Südschwarzwald und dem Breisgau wuchs die katholische Bevölkerung an, so dass Weinbrenner mit dem Bau einer katholischen Kirche im Stadtzentrum beauftragt wurde. Das Ergebnis war St. Stephan, erbaut in der Grundform des Pantheons in Rom.

 

 

Nach verschiedenen Zwischenlösungen erhielt die Kirche die Silbermannorgel der in der Säkularisation aufgegebenen Abtei St. Blasien. Dieses Instrument ging mit der Kirche in den Bombennächten des Winters 1944/45 unter. Nach dem Krieg wurde die Kirche in vereinfachter Form wiederaufgebaut. Sowohl die Betonstruktur der Kuppel als auch das unverhuellte Ziegelmauerwerk blieben als Dokument des Wiederaufbaus  sichtbar. Für diesen spannenden Kirchenraum erhielt die Werkstatt Klais 1958 den Auftrag für einen Orgelneubau. Zum damaligen Zeitpunkt lag die Werkstattleitung offiziell noch in den Händen des Sohnes des Werkstattgründers Hans Klais, die Ideen der nächsten Klais Generation von Hans Gerd Klais wie u. a. die Rückkehr zu mechanischen Schleifladen hatten aber längst grossen Einfluss auf das Arbeiten der Werkstatt genommen.

 

 

Das 1959 eingeweihte Instrument war eine der ersten grossen Orgeln der Nachkriegszeit der Werkstatt Klais mit Schleifladen in Verbindung mit mechanischer Spieltraktur. In ihrer Klanglichkeit war die Orgel ein Werk mit Merkmalen der Orgelbewegung. Aus Kostengründen konnte 1959 nicht das Gesamtkonzept der Orgel umgesetzt werden. Diese Beschränkung führte in den kommenden Jahrzehnten zu zahlreichen Erweiterungen des Instrumentes.  Der auf diese Weise gewachsene Zustand war musikalisch reizvoll,  technisch aber nicht ganz unproblematisch – nicht zuletzt wegen der aus der späteren Zufügung resultierenden Platzierung der ergänzten Register. Nachdem 50 Jahre nach Erbauung der Orgel eine gründliche Überarbeitung der Orgel anstand,  entschloss man sich, das Gesamtkonzept zu reorganisieren und die Orgel des Jahres 1959 unter Erhaltung einiger Veränderungen der vergangenen 5 Jahrzehnte für die Zukunft auszurichten.

 


Das Konzept wurde in allen Details in enger Absprache und einem kreativen Prozess mit dem Kirchenmusiker von St. Stephan Patrick Fritz Benzing und dem Orgelsachverständigen des Erzbistums Freiburg Prof. Michael G. Kaufmann sorgfältig erarbeitet und abgestimmt. An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an alle verantwortlichen der Gemeinde, den Dekan, die Mitarbeiter des Bauamtes, den Kirchenmusiker und den Orgelsachverständigen gestattet, die mit ihren kreativen Ideen und  ihrer unermüdlichen Engagement dieses Projekt möglich gemacht haben.

 


Diese Neukonzeption unter Berücksichtigung und Erhaltung des Grundbestandes eröffnete  die Möglichkeit, das klangliche Spektrum um  Klangfarben zu erweitern, die 1959 aus Kostengruenden nicht realisiert wurden. Um die musikalischen Möglichkeiten dieser neuen Register zu multiplizieren, wurden sie auf Einzeltonladen gestellt. So können sie in unterschiedlichen Fußtonlagen von unterschiedlichen Klaviaturen gespielt werden. Darüber hinaus wurde der technische Aufbau der Orgel wieder darauf zurückgeführt, dass alle Register wieder "in" der Orgel stringent und logisch platziert und klanglich optimal ausgerichtet ihren Aufstellungsort finden. Dies war durch die zahlreichen Zubauten zuletzt nicht mehr der Fall.

 

Der Schwellkasten des vorhandenen Schwellwerkes wurde vergrößert, um allen hierin platzierten Pfeifen Raum für eine optimale Klangentfaltung zu geben und eine dynamische Bandbreite vom Pianissimo bis zum Fortissimo zu ermöglichen.  Die neuen Stimmen des Auxiliarwerkes sind in ihrem eigenen Schwellkasten angeordnet.

 

 

Ganz bewusst haben wir uns in Absprache mit allen Beteiligten dazu entschieden, die Gehäusegestaltung in ihrer gewachsenen Form zu erhalten, und durch eine Farbfassung die Fortführung der Orgel in die Zukunft auch äußerlich ablesbar zu machen.

 

Wichtig war uns,  dem der Orgel von 1959 zugrundeliegende Konzept mit Respekt zu begegnen, es weitgehend zu erhalten und durch Erweiterungen, die zu einem großen Teil bereits in den fünfziger Jahren geplant, aber nicht ausgeführt wurden, die Orgelgeschichte fortzuschreiben. Basis dieses erweiterten Konzeptes ist die reifende Wertschätzung der Orgeln der Nachkriegszeit sowie der Erhalt der Originalsubstanz. Wir möchten  mit dieser Vorgehensweise einen schöpferischen Lösungsansatz auf die Frage nach dem Umgang mit den Orgeln der Wirtschaftswunderzeit geben.

 

Philipp C. A. Klais

 

 

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